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Filmkritik
Lucy (Dakota Johnson) und Jane (Sonoya Mizuno) sind seit Ewigkeiten beste Freundinnen. Jane ist risikofreudig, lebt seit Jahren in einer Beziehung mit ihrem Freund Danny und steht im Job erfolgreich ihre Frau. Lucy dagegen wirkt stets etwas zögerlich und weiß immer noch nicht recht, wohin sie im Leben will oder wer sie eigentlich ist. Sie arbeitet im Empfang eines Massagesalons, obwohl sie sich eigentlich lieber als Künstlerin versuchen würde. Zwischen ihr und dem netten Nachbarn Ben, der ihr bei Handwerksarbeiten in der Küche hilft, will es auch nicht recht funken. Überhaupt scheint es mit den Männern nicht zu klappen. Mehr als Kurzzeitbeziehungen kann sie nicht vorweisen. Als Jane ihr eröffnet, dass sie befördert und dafür an ihren Geburtsort London zurückkehren wird, ist Lucy am Boden zerstört.
Flirt in der Lesben-Bar
In der Folge öffnet das aber alle Schleusen. Zum Kummer über den Weggang der besten Freundin gesellt sich ein spätes Coming Out. Lucy erzählt Jane, dass sie Frauen liebt, es sich aber nicht eingestehen wollte. Jane reagiert verständnisvoll und will die beste Freundin sogleich mit einer neuen Arbeitskollegin verkuppeln. Sie gehe nicht nach England, bevor Lucy nicht mit einer Frau zusammen sei. Beide suchen eine Lesben-Bar auf, wo Jane allerdings mehr Frauen anflirtet als Lucy und in ihrer forschen Art sofort Resultate provoziert.
Als Lucy sich von so viel aufdringlicher Unterstützung überfordert sieht, kommt es zum Streit, nach dem beide nicht mehr miteinander reden. Zwar klappt das Date mit Kollegin Britney, und nach der zweiten Verabredung verbringen die beiden auch die Nacht miteinander. Doch was für Lucy Ernst war, entpuppt sich für Britney nur als Experiment. Jane wiederum macht die Funkstille mit Lucy zu schaffen, und selbst bei ihr funktioniert nicht mehr alles wie gewohnt.
Dass man Coming-Out-Geschichten in westlichen Metropolen, zumal bei jungen Erwachsenen, heute nicht mehr als Problemstorys erzählt, versteht sich für die Regisseurinnen dieser kurzweiligen Komödie von selbst. Tig Notaro and Stephanie Allynne erzählen ihre Geschichte in beschwingtem Ton, setzen auf Gefühle und milde Situations- und Verbalkomik und vertrauen ganz auf ihre beiden charismatischen Hauptdarstellerinnen. Das Coming-Out bereitet der Protagonistin mehr Kopfzerbrechen als ihrer Umwelt; an Unterstützung mangelt es Lucy jedenfalls nicht.
Den Horizont erweitern
So behandelt der Film unter anderem das entspannte Verhältnis junger Erwachsener zu einem breiteren Spektrum der eigenen Sexualität und der anderer. Das Ausprobieren von Sex mit beiden Geschlechtern verstehen einige Protagonisten als Erweiterung des eigenen Horizonts, selbst wenn sie langfristig heterosexuelle Partnerschaften bevorzugen. Lucy kämpft daher weniger gegen Widerstände von außen als gegen ihre eigenen Inhibitionen sowie alte gesellschaftliche Normen, die sie trotz einer verbreiteten Toleranz verinnerlicht hat.
Vor allem aber geht es in „Am I OK?“ um den Wert von Freundschaft. Wen man liebt, ist eigentlich egal – es kommt jedoch darauf an, bei Unzufriedenheit im Job oder bei Herzschmerz jemanden zu haben, bei dem oder der man sich ausweinen kann. Bei charakterlich so ungleichen Freundinnen wie Lucy und Jane bleiben bei Umbrüchen aber Konflikte nicht aus. Wie Beziehungen wollen auch Freundschaften gepflegt werden. Eingefahrene Rollen und Machtverhältnisse führen dabei auch zu Verwerfungen. So entsteht die Spannung in dem Film weniger durch Lucys neue Dating-Parameter als dadurch, wie und ob sie sich gegen ihre wohlmeinende, aber dominante beste Freundin durchsetzt. In Liebesdingen funktioniert jede anders. Karriere-Maßstäbe kann man hier nicht ansetzen, und jede hört anders auf ihre Gefühle und Bedürfnisse. Eifersucht entsteht in „Am I OK“ also eher in der Freundschaftsbeziehung durch eine trampelige neue Freundin von Jane. Das Verhältnis zwischen Nähe und Loslassen muss neu definiert werden.
Im malerischen Südkalifornien
Wirklich existenziell bedrohlich wird es in dem leidlich unterhaltsamen, aber auch etwas oberflächlichen Film für die Figuren jedoch nie. Soziale Probleme werden komplett ausgespart. So kann sich die sicher nicht fürstlich verdienende Lucy eine schicke Wohnung in Los Angeles und häufige Restaurantbesuche spielend leisten. Sanfte Popmusik fungiert als akustischer Hintergrund sowohl bei komischen als auch bei dramatischeren Szenen, und auch ihre Schlagfertigkeit verlieren die Figuren selten.
Alles kommt ziemlich poppig rüber, und Dakota Johnson und Sonoya Mizuno statten ihre Figuren mit genügend Charme und Verletzlichkeit aus, um das Publikum zu unterhalten. So erweist sich „Am I OK“ neben ein paar profunderen Fragestellungen zu beruflicher und privater Neuorientierung als netter Film über junge, aufgeklärte westliche Großstädterinnen in den malerischen Settings Südkaliforniens.