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Filmkritik
Eine der schönsten und wohlwollendsten Charakterisierungen Alma Mahler-Werfels stammt von Arnold Schönberg. In dem Text zu einem Kanon, den ihr der Komponist zum 70. Geburtstag schenkte, heißt es: „Gravitationszentrum eigenen Sonnensystems, von strahlenden Satelliten umkreist, so stellt dem Bewunderer dein Leben sich dar.“ In dem Film „Alma & Oskar“ von Dieter Berner ist Alma Mahler von Beginn an jedoch eher in der Satellitenrolle. Als zur persönlichen Assistentin abgestellte Gattin hängt sie ihrem viel beschäftigten Ehemann Gustav Mahler an den Fersen, macht Notizen, nimmt Anweisungen entgegen. Als ein versehentlich an ihn adressierter Liebesbrief des Architekten Walter Gropius einen heftigen Streit entfacht, bricht ihr über Jahre angestauter Frust hervor. Alma fühlt sich nicht wahrgenommen, nicht als Frau des viel älteren Mannes und als Künstlerin schon gar nicht. Nach Mahlers plötzlichem Tod lehnt sie eine Heirat mit Gropius zunächst ab – als Witwe des großen Komponisten stehen ihr Türen offen, die sich für ihr eigenes „Projekt“ als hilfreich erweisen könnten. Denn Alma möchte ihre abgebrochene Beschäftigung als Pianistin und Komponistin wieder aufnehmen.
Eine maßlos-zerstörerische Beziehung
Was sich mit viel Wirbel als Auftakt zu einer Emanzipationsgeschichte ankündigt, versickert dann allerdings schnell in einer nach abgegriffenen Mustern erzählten Amour fou – und im Künstlerkitsch. Auch Berner, der sich schon in „Egon Schiele – Tod und Mädchen“ einem Künstler der Wiener Moderne widmete, interessiert an Alma Mahler weniger ihr (von Biografen unterschiedlich bewertetes und zudem nur eingeschränkt überliefertes) kompositorisches Schaffen als ihr turbulentes Liebesleben – und insbesondere die völlig übergriffige, maßlose und zerstörerische Beziehung zu dem Maler Oskar Kokoschka.
Zeugnisse der mehrjährigen, von Trennungen und Versöhnungen geprägte Affäre sind nicht nur mehrere Gemälde, etwa „Doppelbildnis Oskar Kokoschka und Alma Mahler“, sondern auch annähernd vierhundert Briefe. Eine Fülle an historischem Material also, die in den jüngeren Biografien über Alma Mahler-Werfel auch umfassend ausgewertet wurden. In „Alma & Oskar“ haben von diesen Briefen aber nur ein paar schmissige Zeilen Eingang gefunden.
Die Künstlerin Alma Mahler gewinnt in „Alma & Oskar“ ebenso wenig Kontur wie die inspirierende Gesprächspartnerin und „Magnetin“ künstlerischer Milieus, auch wenn der Film immer wieder demonstrativ ihre Relevanz als Komponistin behauptet. Bei den Proben zu Mahlers letzter, posthum uraufgeführter Symphonie reißt sie dem Dirigenten, der die Radikalität des Stücks nicht kapiert, den Taktstock aus der Hand und übernimmt die Führung; ab und zu sieht man sie ein paar Takte auf dem Klavier spielen und komponieren. Einmal wird eines ihrer Lieder im engsten Kreis aufgeführt, jedoch mit der Pointe, dass Kokoschka am Ende die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Das misogyne Klima der Zeit
Plump geraten auch die Versuche, das misogyne Klima der Zeit vorzuführen – wenn etwa Walter Gropius anmerkt, Frauen hätten ein weniger ausgeprägtes Raumempfinden und er sich durch Almas Klavierspiel in seiner „Arbeit“ gestört sieht (Alma: „Ich arbeite auch.“). Künstlerische Arbeit ist aber genau das, was in „Alma & Oskar“ den geringsten Platz einnimmt. So reduziert sich Alma Mahlers emanzipatives Handeln hauptsächlich auf ihre Unangepasstheit und die freie Wahl ihrer Künstlergenie-Männer.
Die Verbindung mit dem kontrollierten Gropius dient vor allem als Kontrastfolie zu der Affäre mit Kokoschka. Der Sex ist wild, das Begehren ungestüm, Kokoschka besitzergreifend und rasend eifersüchtig, auch auf Almas verstorbenen Ehemann, dessen letzte Komposition sie auf die Bühne bringt. Bei der Premiere rauscht Kokoschka im roten Kimono in den Konzertsaal, nach dem Auftritt eskaliert die Situation.
Ein gruseliges Fetisch-Kapitel
Eine Zeit lang lebt das Paar friedlich auf dem Land, er malt, sie komponiert, aber auch das geht nicht lange gut. Alma langweilt sich, Kokoschka leidet unter der fehlenden Anerkennung als Künstler, der Erste Weltkrieg bricht aus. Nach der endgültigen Trennung führt Kokoschka die Beziehung mit einer lebensgroßen Alma-Puppe fort, gefertigt von einer Münchener Puppenmacherin und in extra aus Paris bestellten Dessous gekleidet. Aber selbst dieses recht gruselige Fetisch-Kapitel gerät in „Alma und Oskar“ recht fade. Unliebsame Fakten werden überdies unter den Teppich gekehrt – so etwa der überlieferte Antisemitismus Alma Mahler-Werfels, der nicht erst im Klima zunehmender politischer Radikalisierung entbrannte.