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Filmkritik
Die französische Schriftstellerin Emmanuèle Bernheim steckt mitten in einem Roman, als sie einen Anruf erhält: Ihr 84-jähriger Vater wurde in ein Krankenhaus eingeliefert und liegt nun auf der Intensivstation. Sie lässt alles stehen und eilt zum Spital, wo sie ihre Schwester Pascale trifft. Ein Schlaganfall, sagen die Ärzte; der bis dato rüstige Industrielle und Kunstsammler André werde sich zwar wieder erholen, aber wohl nie mehr eigenständig leben können. Zudem drohe jederzeit ein neuer Anfall.
Während im Krankenhaus die üblichen Routinen anlaufen, um den halbseitig gelähmten Mann zu stabilisieren, organisieren die Schwester alles darum herum. Papierkram und notarielle Abklärungen, auch einen Besuch ihrer seit Längerem psychisch und physisch angeschlagenen Mutter Claude. Die kurze, unterkühlte Begegnung der Ehepartner zeugt von einer im Laufe der Jahre gewachsenen Distanziertheit; später fragt Emmanuèle ihre Mutter einmal, wieso sie André nie verlassen habe. Sie habe ihren Mann immer geliebt, antwortet Claude. Und dies, obwohl sie schon bei ihrer Hochzeit gewusst haben muss, dass André Männer liebt; ihre Eltern sind dem Fest deshalb sogar ferngeblieben. Eine etwas mysteriöse Rolle spielt überdies Andrés offensichtlich langjähriger Geliebter Gérard Boisrond, den die Schwestern unverfroren als „G.M.“ (Grande Merde) bezeichnen.
Eine autobiografische Geschichte
Erzählt wird der Film weitgehend aus der Sicht von Emmanuèle, auf deren literarischer Vorlage der Film auch aufbaut: „Alles ist gutgegangen“ von François Ozon ist eine Adaption der unter gleichem Titel veröffentlichen autobiografischen Erzählung der Schriftstellerin Emmanuèle Bernheim. Die 1955 geborene Autorin verstarb 2017 während der Vorbereitungen zu „Alles ist gutgegangen“; für Ozon hat sie an mehreren Filmen als Drehbuchautorin mitgewirkt.
Emmanuèle ist es auch, die bei einem ihrer Besuche im Krankenhaus von ihrem Vater um Hilfe angegangen wird. Auch wenn es André nach und nach besser geht, ist für den einst erfolgreichen Industriellen, der Musik über alles liebt und leidenschaftlich Kunst sammelt, ein nicht mehr selbstständig geführtes Leben keine Option. Er möchte dies so bald wie möglich freiwillig beenden, was ihm allerdings nicht ohne Hilfe möglich ist. Da in Frankreich Sterbehilfe verboten ist, bleibt ihm nichts anderes übrig, als in die nahe Schweiz zu reisen. Emmanuèle, die ihrem Vater einen blühenden Strauß Nelken mitgebracht hat, stellt die Blumen auf den Tisch, dreht sich auf dem Absatz um und geht wortlos aus dem Zimmer. Den Wunsch abschlagen kann sie André allerdings nicht.
Obwohl in der Folge ziemlich exakt erzählt wird, wie eine solche letzte Reise arrangiert wird, welche ethischen Bedenken diese begleiten, wo juristische Fallen lauern und welche emotionalen Reaktionen sie bei den Beteiligten auslösen kann, ist „Alles ist gutgegangen“ keine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema Sterbehilfe. Vielmehr ist es ein Drama, wenn nicht gar eine Tragödie, um einen Mann, der zwar eine Frau und zwei Töchter hat, aber sein Glück nicht als Familienhaupt fand, und um eine Tochter, die als Kind unter den harschen Erziehungsmethoden und der despotischen Launenhaftigkeit des Vaters derart litt, dass sie ihm den Tod wünschte; durch seine Bitte wird sie nun in ein monströses Dilemma gestürzt.
Entlang der Chronologie der Ereignisse
François Ozon hat den Film weitgehend nüchtern und mit feinem Sinn für kleine Details inszeniert, etwa ein mehrfach auftauchendes, immer irgendwie deplatziertes Sandwich. Bis auf wenige Momente, in denen Emmanuèle unverhofft Kindheitserinnerungen einholen oder sie sich in Albträumen verliert, folgt die Erzählung der Chronologie der Ereignisse. Der Titel erklärt sich aus einem abschließenden Telefonat mit der Frau, die das Sterben in der Schweiz arrangiert. Hanna Schygulla spielt diese Frau, die sich als Richterin im Ruhestand für das Recht auf den freiwilligen Tod engagiert, sehr mütterlich, charismatisch und konzentriert. Sie reist von Bern nach Paris, um die nötigen Klärungen zu treffen, sie ist die beruhigende Instanz im Hintergrund, die ermöglicht, was unmöglich scheint.
Ein kurzer Auftritt, aber eine große Rolle für Schygulla, die dabei einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Auch viele weitere Rollen sind namhaft besetzt, wenngleich die meisten Figuren seltsam blass bleiben. Das gilt nicht nur für Ärzte, Pfleger und Betreuer, sondern auch für tragende Rollen, etwa für die von Charlotte Rampling gespielte Claude, den von Grégory Gadebois verkörperten Lover und für Eric Caravaca in der Rolle von Serge Toubiana, Emmanuèles Lebenspartner und ehemaliger Leiter der Cinémathèque Française.
Obwohl Géraldine Pailhas als Emmanuèles Schwester Pascale starke Szenen und große Momente hat, sind es Sophie Marceau und André Dussollier, die in der Auseinandersetzung von Vater und Tochter den Film tragen. Marceau überzeugt dabei durch konzises Spiel und starke Innerlichkeit. Dussollier, mit halbseitig gelähmtem Gesicht oft kaum zu erkennen, gibt André Bernheim nicht als einen von Altersmilde geprägten Mann, sondern als launischen Egozentriker, der zwischendurch Witze macht, manchmal charmant ist, bisweilen verzweifelt und depressiv wirkt, aber seine erwachsenen Töchter auch immer wieder schamlos gegeneinander ausspielt.
Vom Sterben und Verschwinden
„Alles ist gutgegangen“ ist handwerklich solide und interessant, wenngleich es nicht Ozons bester Film ist. Es mangelt ihm jene Leichtigkeit, die seine bisherigen Filme kennzeichnete, auch die düsteren, die vom Sterben und Verschwinden handeln. Und es mangelt ihm, augenfällig vor allem in der Darstellung eines halb oder vielleicht ganz offen homosexuell geführten Lebens, weitgehend an der zärtlichen Eleganz der Gefühle, die Ozons Filme auf der Leinwand so groß machen, selbst wenn sie von Kleinem und Alltäglichen handeln.