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Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Zunächst einmal beginnt „Alles in bester Ordnung“, das Langfilmdebüt von Nadja Brunckhorst, mit sensationellen Bildern einer imposanten Leergutsortieranlage, die es so zuvor noch nie in einen deutschsprachigen Spielfilm geschafft haben. Der junge und sehr selbstbewusste Mathematiker und IT-Experte Fynn (Daniel Sträßer) stellt sein Knowhow als Dienstleister in der getränkeverarbeitenden Industrie bereit, um die Abläufe in derlei Anlagen zu optimieren. Natürlich ist jemand, der sich um Optimierung von Ordnungsprozessen kümmert, privat auch ein ordnungslieber Minimalist, der sein überschaubares Hab und Gut in einem Rollkoffer unterzubringen versteht und so stets mobil und einsetzbar ist – ein Traumdienstleister des Neoliberalismus. Jetzt zum Beispiel in Köln, wo die mäßig funktionierende Leergutsortieranlage zusätzliche Manpower in Beschlag nimmt, was nicht im Sinne der Erfinder ist.
Für die Zeit, die Fynn benötigt, um das Problem zu lösen, wird er in einer kleinen, kaum möblierten Wohnung untergebracht, was ihn nicht weiter stört, weil er alles, was er benötigt, im Rechner hat. Leider kann sich Fynn nicht konzentrieren, wenn etwas nicht funktioniert. Hier ist es eine tropfende Heizung, die ihn aus der Fassung bringt. Ein eigenständiger Reparaturversuch schlägt fehl – und schon macht ein Wasserschaden nicht nur Fynns Zuflucht unbewohnbar, sondern auch noch die darunterliegende Wohnung, die die ältere, alleinstehende Marlen (Corinna Harfouch) bewohnt. Die arbeitet in einem kleinen Dentallabor, ist – so das Presseheft – früher gerne gereist und hat ihre Wohnung in eine pittoreske Höhle verwandelt, die entfernt an Kurt Schwitters’ Merzbau erinnert.
Der Ordnungsfanatiker trifft die „Retterin“ der Dinge
Durch den Wasserschaden lernen Marlen und Fynn sich kennen und staunen zunächst einmal, wie scheinbar unterschiedlich ihre beiden Lebenskonzepte ausfallen. Zwar verspottet der pragmatische Ordnungsfanatiker Fynn die vollgestellte Wohnung, aber Marlen ist gerade kein Messie, der die Kontrolle über sein Leben verloren hat. Sie versteht sich als „Retterin“ von Dingen, die andere ausgemustert haben, die aber unter Umständen noch durchaus ihren Dienst tun, wenngleich sich hier und da auch mal eine kaputte Brotschneidemaschine findet, die wirklich nur noch als Erinnerung taugt, dass es einst Brotschneidemaschinen gab. Aber eben als Erinnerung, womit Fynn mit seinem durchgetakteten Leben gerade nicht dienen kann.
Schnell, vielleicht zu schnell wird deutlich, dass es bei der Begegnung von Marlen und Fynn nicht darum geht, dass Gegensätze, wie man gerne behauptet, einander anziehen. Vielmehr handelt es sich bei den beiden Protagonisten des Films um die zwei Seiten einer Medaille: um eine tief in Sozialphobie gründende Einsamkeit in unterschiedlicher Ausprägung, mal romantisch, mal pragmatisch camoufliert. Nicht auszudenken, wie der Film aussähe, wenn der Pragmatiker als „kalt“ und die Romantikerin als ein Messie angelegt worden wäre.
Der Wasserschaden sorgt weiter für Dynamik
So aber verwundert der Einfall kaum, dass die Retterin Marlen den nun obdachlos gewordenen Fynn vorübergehend in ihrer Wohnung aufnimmt beziehungsweise einpflegt, wenn er ihr als Gegenleistung etwas beim Aufräumen hilft. Mit Blick auf die baldige Abreise aus Köln nimmt Fynn das Angebot dankend an. Das Paar könnte jetzt eine Zeitlang über Konsumwahn, Krimskrams, Marie-Kondo-Aufräum-Mode und Nachhaltigkeit philosophieren, aber da bringt der Wasserschaden noch einmal Dynamik in die Handlung. Wenn der Wasserschaden in Fynns Wohnung behoben ist, will die Hausverwaltung auch in Marlens Wohnung nach dem Rechten sehen, doch dazu müsste die Wohnung ausgeräumt werden, was nicht ohne Aufsehen gehen würde. Hat Marlen sich doch über die Jahre ein sehr souveränes öffentliches Auftreten erarbeitet, weshalb niemand auf die Idee käme, sie spontan zu besuchen.
Da dem Film ein grundlegender Konflikt fehlt und auch das immerhin angedachte Ausmisten von Marlens Höhle kaum über eine Diskussion des Für und Wider hinausgelangt, verlegt sich die Erzählung auf ein paar skurrile Nebenfiguren und -handlungen, die nun ihrerseits das Einsamkeitsthema variieren. Da ist Marlens gutmütiger Chef, der den Kontakt zu seiner unnahbaren Angestellten gerne etwas intensivieren würde, da ist der Abteilungsleiter eines Möbelhauses, in dessen großzügiger Räumlichkeit es Marlen sich regelmäßig bequem macht. Und auch die Hausverwaltung wird bei der abschließenden Besichtigung von Marlens Wohnung nicht mit dem befürchteten Entsetzen reagieren. Unterm Strich ist „Alles in bester Ordnung“ eine leicht melancholische Wohlfühlkomödie mit flotten Dialogen zwischen zwei zu gleichförmig angelegten Charakteren und auszeichnungswürdigen Leistungen von Szenenbild, Requisite und Kamera.