- RegieBenny Boom
- ProduktionsländerVereinigte Staaten
- Produktionsjahr2017
- Dauer139 Minuten
- GenreDramaMusikBiographie
- Cast
- AltersfreigabeFSK 12
Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Die dunkelblaue Bandana thront auf dem glatt rasierten Kopf. Die Finger einer Hand sind zum „W“ wie West Coast formiert. Ein goldenes Kreuz pendelt über der gestählten Brust. Quer über den Bauch hat sich Tupac Amaru Shakur alias 2Pac in großen Lettern „Thug Life“ tätowieren lassen. Das Kreuz und der Lebensstil eines eines Gangsters: größer könnte der Widerspruch nicht sein. Doch im Leben ist vieles komplizierter, als es den Anschein hat. Für den Rapper war „Thug Life“ der Name seiner Hip-Hop-Gruppe, das Akronym für „The Hate U Give Little Infants Fucks Everybody“, auch aber Ausdruck eines Kämpfers, der sich trotz widriger Ausgangsbedingungen durchbeißt. So hat sich Tupac, der vier Mal im Gefängnis landete, bevor er 1996 auf offener Straße in Las Vegas erschossen wurde, selbst gesehen. So halten es seine Fans in Ehren, und so deutet es auch das biografische Drama von Benny Boom, das nicht nur vom tragisch kurzen Gangster-Leben, sondern auch von seinem Engagement für die Black Community erzählen will – freilich ohne Bereitschaft, den Widerspruch kritisch aufzulösen. Tupac wird von seinen Fans ebenso abgöttisch verehrt wie von anderen Menschen wegen seiner Songs und Videos heftigf kritisiert, die Gewalt verherrlichen und Frauen zu Sexobjekten degradieren. Um keinen anderen Rapper ranken sich mehr umstrittene Mythen. Um nicht selbst in die Schusslinie der Kritik zu geraten, bedient sich Boom eines einfachen Tricks: Er lässt den Künstler seine eigene „real story“ im Rahmen eines Gefängnis-Interviews erzählen, das Tupac 1995 in der Haft gab. In einer großen Rückblende entfaltet sich seine Geschichte, angefangen mit dem Freispruch seiner hochschwangeren Mutter im „Black Panther 21“-Prozess und Tupacs Geburt in New Yorks East Harlem 1971. Seinem Ziehvater, dem Aktivisten Mutulu Shakur, verdankt Tupac nicht nur seinen Namen, sondern auch sein tiefes Misstrauen gegen Staat und Polizei. Nach Shakurs Verhaftung zog Tupac mit Mutter und Halbschwester nach Baltimore. Er besuchte die Kunstschule, wo er Shakespeare spielte und Jada Pinkett (Smith) kennenlernte. Wenn seine drogenabhängige Mutter die Familie nicht wenig später nach Oakland, Kalifornien, verfrachtet hätte, wäre Tupac vielleicht gar nicht auf die schiefe Bahn. Er hätte dann nicht das schnelle Geld als Drogendealer gesucht, aber auch keinen Anschluss an die Hip-Hop-Combo „Digital Underground“ gefunden. Tupacs Aufstieg als Rapper ist Geschichte, seine Konflikte mit der Justiz und den Rappern der East Coast ebenso. Tupac stand vor Gericht wegen eines eskalierenden (Wort-)Gefechts, bei dem ein Kind tödlich getroffen wurde. Er musste sich wegen Schüssen auf übergriffige Zivilpolizisten verantworten. Er wurde selbst angeschossen und wegen sexueller Belästigung zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, aus dem ihn Suge Knight, der Boss des Plattenlabels Death Row Records, im Gegenzug für drei Alben (u.a. „All Eyez On Me“) gegen Kaution herausholte. Neben dem als gewalttätig gezeichneten Produzenten fand Tupac dann auch den Tod, durch Schüsse aus einem vorbeifahrenden Auto. Das „California Dreaming“ war ausgeträumt. Tupacs letzte Worte an den ihn stützenden Polizisten sind verbrieft: „Fuck You.“ Der Mann, der im Film gegen die Drogensucht der Mutter ankämpft und das Kokain der Kollegen ausschlägt, der gegen Rassismus predigt, war einst selbst Drogendealer und –konsument; er schoss auf Menschen und pflegte einen ausgeprägten Hass gegen die Gewalt des weißen Systems und seine Vollstrecker, die Polizisten. Deren tödliche Übergriffe gegen die schwarze Bevölkerung haben in den letzten Jahren den allgegenwärtigen Rassismus wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit geholt. Spike Lee argumentierte in „Chi-Raq“ jüngst noch stimmgewaltig gegen Waffenbesitz, Rassismus und die daraus resultierende Gewaltspirale. Tupac Shakur aber und der stur seine Perspektive einnehmende Film aber steht nicht für Deeskalation. Vielmehr konsolidiert „All Eyez On Me“ einen streitbaren Mythos, der keine Brücken baute, sondern Gräben vertiefte. Tupacs Zerrissenheit zwischen dem Engagement, das ihm der Black-Panther-Background seiner Eltern in die Wiege legte, und der Street Credibility, die die Hip-Hop-Posse verlangte, muss groß gewesen sein. Booms Versuch, die Genese des „Thugs“ nachzuzeichnen, bleibt jedoch in der platten Adressierung des Konflikts zwischen der Mutter und Jada Pinkett stecken, während der Interviewer dem Rapper lahm vorwirft, mit den falschen Symbolen für die richtige Sache zu kämpfen. Das sind Lippenbekenntnisse, die sich nicht in einen mitreißenden Konflikt verwandeln, sondern in einer Handlung untergehen, die Tupacs einzelne Stationen akkurat, aber inszenatorisch holprig und viel zu lange abschreitet. Vor allem das Protestmotiv der Eltern wirkt wenig glaubwürdig; die Inszenierung lässt sich irgendwann mit Tupac in die Grabenkämpfe zwischen East und West Coast fallen und artikuliert keinen Zweifel daran lässt, dass die angeblich vergewaltigte Frau lügt und Christopher Wallace alias Notorious B.I.G. hinter den Anschlägen gesteckt haben wird. Weder ihn noch seine mutmaßlichen Handlanger kann man dazu befragen: Wallace und Orlando Anderson wurden in den Folgejahren bei Gang-Gefechten erschossen.