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Filmkritik
„Alibi.com“ heißt das Start-up-Unternehmen, das Gregory Van Huffel mit seinem Freund Augustin gegründet hat. Die Geschäftsidee besteht im Kern darin, Alibis für Menschen zu erfinden, die triftige Gründe haben, andere über ihren Verbleib zu belügen. Der Beginn des Films verdeutlicht in vier kurzen Vignetten, was das bedeutet: Vom Seitensprung übers Schule Schwänzen bis zum Verschweigen eines Millionengewinns kann alles inszeniert und somit kaschiert werden, je nachdem, wie aufwändig, kostspielig oder einfallsreich es werden darf. Für die moralischen Fallstricke der Lügengerüste interessiert sich Greg wenig: Erlaubt ist, was der Kunde wünscht, und was sich realisieren lässt. Dann lernt Greg die schöne Flo kennen, die eines hasst: Männer, die lügen. Greg verschweigt ihr deshalb vorsorglich seinen Beruf und behauptet, Flugbegleiter und darum viel unterwegs zu sein. Kompliziert wird es, als der junge Mann Flos Eltern kennenlernt: Vater Gerard ist einer seiner besten Kunden. Eigentlich möchte Gerard das Wochenende in Ruhe mit seiner Geliebten in Cannes verbringen, doch Mutter und Tochter geraten ausgerechnet in dasselbe Hotel, weshalb das Chaos seinen Lauf nimmt. Daraus hätte eine freche, witzige und turbulente Komödie über moralische Nachlässigkeit und das Geschäft mit der Lüge, über falsche Identitäten und verfehlte Lebensentwürfe werden können. Was ist das für eine Gesellschaft, in der der Einzelne seinem bürgerlichen Dasein nur mit Hilfe von Ausreden entfliehen kann, und in der Heuchelei belohnt wird? Gibt es kein richtiges Leben im falschen? Doch Regisseur und Hauptdarsteller Philippe Lacheau begnügt sich mit vielen Klischees, die er aus US-amerikanischen Mainstream-Komödien adaptiert. Die Inszenierung spielt mit der nur scheinbaren Offenheit anzüglicher Witze, die indirekt die Verklemmtheit des Konzepts bezeugt. Dabei fällt besonders der Sadismus auf, mit dem das beste Stück des Mannes zum Gegenstand pubertären Slapsticks wird; auch eine Fetisch-Fete mit aufregenden Katzenfrauen setzt auf Verruchtheit, die dann nicht eingelöst wird. Die Unachtsamkeit gegenüber Flos weißem Pudel, die sich als „Running Gag“ durch den Film zieht, stammt aus „Ein Fisch namens Wanda“, das Fechtduell mit Leuchtstäben ist eine Hommage an „Krieg der Sterne“, die Szenen im Roma-Milieu erinnern an „Snatch“. Gregs großes Vorbild aber ist Jean-Claude van Damme mit seinem „Hubschrauber-Kick“ aus „Bloodsport“, bei dem der Schauspieler um seine eigene Achse wirbelt und den Gegner mit gestrecktem Bein am Kopf trifft. Mit anderen Worten: Auch Greg träumt von einem anderen Leben und wäre gerne ein Held mit perfekter Körperbeherrschung. In der Vielzahl der filmischen Bezüge geht die Eigenständigkeit der Inszenierung verloren, die Versatzstücke passen sich nicht in die Erzählung ein. Insgesamt bietet Lacheau nur Hausmannskost. Allzu vorhersehbar eilt sein Film auf das biedere Ende zu: Die Strafe fürs Lügen folgt auf dem Fuß.