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Filmplakat von Albert Nobbs

Albert Nobbs

118 min | FSK 6
Dublin, Ende des 19. Jahrhunderts: Albert Nobbs, Bediensteter in einem Hotel, führt ein bescheidenes Leben. Dank seines zurückhaltenden, aufmerksamen und integren Verhaltens erhält er viel Trinkgeld, das er über die Jahre sammelt. Mit dem Geld will Nobbs sich den Traum von einem eigenen Geschäftshaus erfüllen, das er gemeinsam mit seiner viel jüngeren Kollegin Helen betreiben und bewohnen möchte.
Zu ihr fühlt er sich hingezogen, doch diese Zuneigung ist einseitig. Helen ignoriert Alberts hartnäckiges Werben und riskiert ihren guten Ruf, als sie sich auf den egoistischen Joe einlässt. Dass Albert Nobbs in Wirklichkeit eine Frau ist, weiß niemand. Erst der derbe Handwerker Hubert Page bringt Licht in Nobbs verstecktes Leben - Page ist ebenfalls eine Frau. Aber so erleichternd die Begegnungen mit Mr. Page auch sind, machen sie die Situation für Nobbs nicht einfacher. Die Dreiecksbeziehung zwischen Albert, Helen und Joe um Begehren, Geld und Freiheit spitzt sich zu.

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Filmkritik

Die Tagträume, die Albert Nobbs selig lächeln lassen, sind sehr bescheiden. Darin hat er einen eigenen kleinen Laden, eine gemütliche Wohnstube mit zwei Ohrensesseln vor einem prasselnden Kaminfeuer, und eine Ehefrau, die dieses kleinbürgerliche Idyll mit ihm teilt. Die Trinkgelder und den Lohn, die Albert als Kellner in einem Hotel in Dublin verdient, spart er eifrig, und allmählich scheint die Erfüllung seines Traums in greifbare Nähe zu rücken. Doch der Zuschauer ahnt, dass Nobbs’ Sehnsucht ins Leere läuft, denn ihm fehlt etwas Entscheidendes: das richtige Geschlecht. Albert Nobbs ist in Wirklichkeit eine Frau. Zwar findet er/sie in dem vermeintlichen Anstreicher Hubert Page ein Vorbild, dass die Geschlechter-Maskerade und das häusliche Glück sich nicht ausschließen müssen – Hubert ist ebenfalls eine Frau im Männergewand und führt trotzdem ein zufriedenes Leben mit einer Partnerin und einem eigenem Häuschen – doch man spürt, dass Nobbs mit dem jungen Dienstmädchen Helen, auf das er ein Auge geworfen hat, solch ein Glück nicht finden wird. Helen hat bereits einen anderen, wesentlich maskulineren Verehrer, dem sie den Vorzug gibt. Wie würde Nobbs wohl wirken, wenn aus dem hochgeschlossenen Kragen nicht das Gesicht von Glenn Close heraus schauen würde, das trotz Make-up gut erkennbar ist? Würde man, wie die Figuren im Film, vielleicht gar nicht merken, dass sich da ein weiblicher Busen in der stocksteifen Hemdbrust versteckt? Doch es ist eben keine unbekannte Schauspielerin, die hier die „Hosenrolle“ des Albert Nobbs gibt, sondern ein bekannter Star, und das sorgt dafür, dass man von Anfang an Verbündeter der Charade ist: Wir kennen das Geschlecht der Schauspielerin und wissen deshalb auch, welches Geheimnis Nobbs hütet. Warum tut sie das? Wie lässt sich solch eine Lüge leben? Und ist es überhaupt eine Lüge, wenn es sich für Nobbs richtig anfühlt? An einer Stelle im Film fragt jemand, der das biologische Geschlecht des vermeintlichen Kellners durchschaut hat, was denn nun eigentlich ihr richtiger Name sei. Die Antwort: „Albert“. Auf der Basis einer Kurzgeschichte des Iren George Moore haben Glenn Close und der Schriftsteller John Banville ein Drehbuch ausgearbeitet, das vieles in der Schwebe lässt. Die Regie von Rodrigo Garcìa, der sich u.a. durch seine Arbeit für die meisterliche Fernsehserie „Six Feet Under“ einen Namen gemacht hat, unterstützt dieses sehr leise, sehr zurückhaltende Konzept. Sind es nur äußere Umstände in einer patriarchalen Gesellschaft, die die Frau dazu gebracht haben, sich als Mann auszugeben, um bessere Chancen auf ein selbstständiges Leben zu haben, oder ist es vielmehr ein inneres Bedürfnis? Ist sie/er ein asexuelles Wesen, eine Lesbe, ein Transsexueller? Was genau Albert Nobbs in Sachen „Gender“ ist, bleibt ebenso uneindeutig wie der Balanceakt zwischen Melodram und ironischer Distanz: In Nobbs Konturierung als anrührend-tragische Figur mischen sich immer wieder ironisierend-komische Aspekte, schon weil sie durch das reservierte Spiel von Glenn Close und das Kostümdesign (die Melone!)etwas von „Stoneface“ Buster Keaton und Charlie Chaplin besitzt. Die Themen und der Tonfall des schriftstellerischen Werks John Banvilles – das Leben mit doppelten Identitäten und Maskeraden, die Frage nach sexueller Identität im Rahmen einer Gesellschaft, die klar definierte Geschlechterrollen vorgibt, die Spannung zwischen Realität und Imagination, zwischen Moral, materieller Notwendigkeit und individuellen Sehnsüchten – finden in diesem Stoff ein ebenso günstiges Spielfeld wie die schauspielerischen Stärken von Glenn Close, die ihre Figur geschickt vor jedem „Hosenrollen“-Klischee schützt und bis zum Ende ihr Geheimnis bewahrt.

Erschienen auf filmdienst.deAlbert NobbsVon: Felicitas Kleiner (6.3.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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