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Filmkritik
Sonny Vaccaro (Matt Damon) besucht das Spiel eines College-Basketballteams und plaudert anschließend mit den jungen Sportlern. Als nächstes sieht man, wie er sein Glück im Casino versucht und dort ordentlich gewinnt. „Air – Der große Wurf“ packt alles, was man über diesen unscheinbaren, leicht übergewichtigen Mann um die 50 wissen muss, schon in die ersten Filmminuten. Denn Sonny hat nicht nur einen guten Riecher für Talente, sondern er zockt auch gerne.
Mit einer Collage aus popkulturellen Highlights der Vergangenheit wirft einen Ben Affleck in seiner fünften Regiearbeit zurück ins Jahr 1984. Man befindet sich in der Firmenzentrale der Sportmarke Nike, der es zu diesem Zeitpunkt nicht sonderlich gut geht. Das auf Laufschuhe spezialisierte Unternehmen möchte im Basketball Fuß fassen, liegt aber meilenweit hinter Converse und dem deutschen Konkurrenten Adidas. Die Adidas-Schuhe sind besonders bei der schwarzen Bevölkerung sehr beliebt. Die Rapper von Run-D.M.C. haben der Marke sogar ein eigenes Lied gewidmet.
Alles auf eine Karte
Nike möchte seine Popularität steigern, ohne zu viel zu riskieren. 250.000 Dollar Budget stehen für einen Werbedeal mit vier Basketballspielern zur Verfügung. Allerdings würden sich richtige Sportstars nie für die angeschlagene Marke entscheiden; den anderen aber fehlt das gewisse Etwas. Bis Sonny ins Spiel kommt, der bei Nike in der Marketing-Abteilung sitzt und lieber alles auf eine Karte beziehungsweise einen Spieler setzen will.
Die filmische Aufarbeitung der wahren Geschichte verdichtet diese Erkenntnis auf einen Moment der Erleuchtung. Während der grisseligen Übertragung eines College-Basketballspiels landet der damals noch kaum bekannte Michael Jordan einen spektakulären Treffer. Der Pass, der ihn ermöglichte, wirkt dem Zufall geschuldet, aber Sonnys analytischer Blick erkennt hier Kalkül und die Lässigkeit eines kommenden Stars.
Affleck, der im Film den Nike-Gründer Phil Knight als eitlen und esoterischen Yuppie gibt, erzählt von einem Mann, der nicht nur visionäre Qualitäten besitzt, sondern auch ein Meister der Überzeugungsarbeit ist. Wenn man an etwas glaubt, muss man auch andere glauben lassen, heißt es einmal. Der auf sympathisch bodenständige Typen spezialisierte Matt Damon spielt Sonny gewohnt einnehmend. Selbst wenn er jemanden um den Finger wickeln will, wirkt er noch ehrlich und so vertrauensvoll wie ein Freund. Um an den desinteressierten, konsequent nur von hinten gefilmten Mike Jordan heranzukommen, versucht Sonny deshalb den gewagten Umweg über dessen Mutter Deloris (Viola Davis).
Der Schuh als Ausdruck der Persönlichkeit
Matt Damon ist für „Air“ deshalb so entscheidend, weil auch die Geschichte davon handelt, wie Authentizität zur Marke wird. Die Verkaufsstrategie, die Nike entwickelt, will den späteren Basketball-Star nicht als austauschbares Werbegesicht, sondern schafft den industriell gefertigten Turnschuh „Air Jordan“ als Ausdruck seiner Persönlichkeit. Einer der geschicktesten Schachzüge des Konzerns besteht darin, den Schuh abweichend von den Vorgaben der NBA zu designen, um dann jedes Mal medienwirksam die anfallende Strafe zu bezahlen.
Mit einer ebenso ehrlichen wie manipulativen Rede über die Besonderheit ihres Sohnes versucht Sonny schließlich, Deloris zu überzeugen. Ein Schuh, heißt es darin, bleibt so lange nur ein Schuh, bis jemand Bedeutungsvolles hineinschlüpft. Doch die geschäftstüchtige Deloris hat verstanden, dass Nike mit seiner Feier von Jordans Einzigartigkeit nicht nur eine neue Marketing-Strategie gefunden hat, sondern dass dadurch auch der prominente Werbeträger an Einfluss gewinnt.
Ein letztes Abenteuer
Lässt man die etwas uninspiriert eingesetzten 1980er-Jahre-Popsongs und die Imagekampagne für Nike beiseite, erweist sich „Air“ als ebenso fesselnde wie aufschlussreiche Geschichte über den kapitalistischen Individualitätskult. Sein dramatisches Potenzial schöpft er mit einem erstklassigen Darsteller-Ensemble aus: Neben Sonny kämpfen Geschäftsführer Rob Strasser (Jason Bateman), Schuh-Designer Peter Moore (Matthew Maher) und Marketingleiter Howard White (Chris Tucker) für den schicksalshaften Deal. Sie alle umweht in diesem Unternehmen, das nach außen jung und athletisch wirken will, ein Hauch von Erschöpfung und Midlife Crisis. Der eine kauft sich einen bunten Sportwagen, der andere färbt sich die Haare oder steigt mit über 50 Jahren nochmal aufs Skateboard. Die Spannung der Geschichte schöpft Affleck aus der Zerrissenheit der Figuren, die sich an der Schwelle zwischen einem bequemen Leben Richtung Ruhestand und dem Risiko eines letzten Abenteuers befinden.