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Filmplakat von Adiós Buenos Aires

Adiós Buenos Aires

93 min | Drama, Komödie | FSK 12
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Julio Färber (Diego Cremonesi) ist Mitte 40, als 2001 in Argentinien die Wirtschaft vor die Wand fährt und er deshalb noch einmal die Koffer packen will, um vor der Krise zu fliehen. Er würde einen kleinen Schuhladen in Buenos Aires zurück lassen. Er macht Deutschland als Ziel aus, wo einst seine Mutter geboren wurde. Doch bevor er sich auf die Reise machen kann, lernt er durch einen Autounfall die Taxifahrerin Mariela (Marina Bellati) kennen. Lange dauert es nicht, bis sich die beiden gegenseitig in ihre Herzen schließen. Und auch Julios Band bekommt noch einmal neues Leben eingehaucht. Und so beginnt er zu zweifeln, ob es immer noch so ein guter Plan ist, auszuwandern.

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Filmkritik

German Kral hat ein Faible für den argentinischen Tango. Der 1968 in Buenos Aires geborene Filmemacher zog 1991 nach Deutschland und absolvierte ein Studium an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in München. Schon sein Abschlussfilm „Buenos Aires, meine Geschichte“ befasste sich mit seiner Heimatstadt. Nachdem er 2009 für den Dokumentarfilm „Der letzte Applaus“ betagte Tangosänger aus Buenos Aires porträtierte, realisierte Kral 2015 mit „Ein letzter Tango“ eine weitere Dokumentation über den musikalischen Exportschlager seiner Heimat. Das Doppelporträt über das Tangopaar María Nieves und Juan Carlos Copes gewann mehrere internationale Auszeichnungen und lockte mehr als 50.000 Zuschauer in die deutschen Kinos. Mit „Adiós Buenos Aires“ legt er nun seinen ersten langen Spielfilm vor; natürlich spielt die Tango-Musik darin eine Schlüsselrolle.

Eine rote Ampel zu viel

Das einfallsreiche Drama erzählt von Julio Färber (Diego Cremonesi), der nach der Jahrtausendwende in Buenos Aires tagsüber einen kleinen Schuhladen betreibt. Abends spielt er in einer kleinen Tango-Band das Bandoneon. Doch da sich die Wirtschaftskrise des Landes immer weiter zuspitzt, beschließt der alleinerziehende Mittvierziger, mit seiner Mutter Dorote (Regina Lamm) und seiner 14-jährigen Tochter Paula (Violeta Narvay) nach Berlin auszuwandern. Die aus Deutschland stammende Dorote war in den 1980er-Jahren nach Buenos Aires gegangen, als sie sich in Julios Vater verliebte.

Gerade hat Julio die Reisepässe von der deutschen Botschaft abgeholt, als er sein geliebtes Auto zu Schrott fährt. Die temperamentvolle Taxifahrerin Mariela Martínez (Marina Bellati) hatte eine rote Ampel missachtet und ihn zu einem fatalen Ausweichen gezwungen. Martínez saust zunächst zwar davon, doch Julio kann sie ausfindig machen und zum Schadenersatz verpflichten. Anfangs geht ihm die attraktive Frau mit ihrer Schlagfertigkeit gehörig auf die Nerven, doch dann freundet er sich mit ihr und ihrem gehörlosen Sohn Pablito (Matías Luque Benante) an.

Als die Tango-Band ihren Sänger verliert, der sich ins Ausland absetzt, stoßen Julio und seine vier Kollegen auf der Suche nach einem Ersatzmann auf Ricardo Tortorella (Mario Alarcón), der im Altersheim vor sich hindämmert, aber immer noch eine schöne Singstimme hat. Nach anfänglichem Zögern schließt sich Ricardo den Musikern an, die fortan von Mariela zu ihren Auftritten gefahren werden. Zumindest so lange, bis Julios Auto repariert ist. Doch als Julio die Wohnung gekündigt, das Geschäft verkauft und den Erlös bei seiner Bank eingezahlt hat, lässt die Regierung plötzlich alle Bankkonten einfrieren. Wie soll er nun die Ausreise nach Deutschland bezahlen?

Dass sich Julios Blick beim Träumen von einer besseren Zukunft nach Deutschland richtet, darf man durchaus als Ironie der Geschichte interpretieren. Denn Argentinien galt viele Jahrzehnte lang als klassisches Einwanderungsland. Gerade in den 1930er- und 1940er-Jahren suchten viele europäische Migranten auf der Flucht vor Nazis und Faschisten Zuflucht in dem lateinamerikanischen Land. Doch als sich die wirtschaftliche Lage während der schweren Krise zwischen 1998 und 2002 extrem zuspitzte und das hoch verschuldete Land in den Staatsbankrott taumelte, suchten viele Argentinier, die durch die Inflation ihr Ersparnisse verloren hatten, ihr Heil in der Auswanderung, viele davon nach Europa.

Liebeserklärung an den Tango

Die Filmemacher nehmen sich viel Zeit, um Julios private Verwicklungen in den zeitgeschichtlichen Kontext von wachsender Armut und Arbeitslosigkeit, Korruption und Massenprotesten einzubetten. Als sein Musikerkollege, der Automechaniker Tito Godoy (Rafael Spregelburd), an dem Unfallwagen die defekten Scheibenwischer ersetzen soll, stiehlt er diese nachts einfach anderen Fahrzeugen. Doch nicht alle sind bereit, sich mit der Misere zu arrangieren. Als die notorisch finanzklamme Tango-Combo ein lukratives Konzert bei einem korrupten Senator geben kann, lehnt der idealistische Atilio Fernández (Manuel Vicente) dies als verwerflich ab.

Im Kern ist „Adiós Buenos Aires“ jedoch eine Liebeserklärung an den Tango. Das zeigt sich schon daran, dass Julios Herz mehr an seinem Bandoneon als an seinem Schuhladen hängt. Zudem baut die Regie geschickt mehrere melancholische Tango-Lieder in die Story ein, bei denen die Musiker ihr Können unter Beweis stellen können.

Die elegischen Melodien bekannter Tango-Stücke bilden die akustische Brücke mehrerer eleganter Parallelmontagen, etwa wenn Julio nachts auf der Dachterrasse mit seinem Instrument übt und Mariela im Taxi durch die Großstadtstraßen streift. Oder wenn German Kral immer wieder zwischen einem Tango-Konzert und einer Massendemonstration hin und her schneidet, die in schwere Krawalle mündet.

Weltschmerz & grenzenlose Liebe

Die melancholische Grundstimmung vieler Tangos findet in den Lebenslagen der Figuren ein Äquivalent, die oft vor schwierigen Entscheidungen stehen, sich aber trotz prekärer Verhältnisse nicht entmutigen lassen. Dass die Inszenierung manchmal allzu weit ins Sentimentale abdriftet – etwa wenn Julio und seine Mutter ihre Habseligkeiten aussortieren und auf viele Erinnerungsstücke stoßen –, lässt sich leicht verschmerzen. In Diego Cremonesi hat Kral zudem einen vielseitigen Hauptdarsteller gefunden, der als Julio den Weltschmerz ebenso glaubwürdig verkörpert wie die grenzenlose Liebe zum Tango.

Im Gedächtnis haften bleibt aber auch Manuel Vicente, der in der Rolle des pensionierten Geschichtslehrers Atilio als moralische Instanz der Musiker fungiert und inmitten des Chaos unbeirrt an seinen Idealen festhält.

Erschienen auf filmdienst.deAdiós Buenos AiresVon: Reinhard Kleber (22.1.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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