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Filmkritik
Alain ist ein Bentley – volles Haar und kein Bauch, und das mit Ende 50! Das findet zumindest Dianes Freundin Jeanne, die Autos verkauft und Menschen gern mit Fahrzeugen vergleicht. Diane (Karin Viard) dagegen, die seit drei Jahrzehnten mit dem Konzertpianisten Alain (Franck Dubosc) verheiratet ist, empfindet ihre Ehe mit ihm mittlerweile als Routine. Gerade ist das jüngere der beiden Kinder aus dem Elternhaus ausgezogen, und nun verspürt Diane neben dem Empty-Nest-Syndrom eine deutliche Leere. Bei der Arbeit in der Redaktion dichtet man ihr eine Affäre mit ihrem attraktiven und deutlich jüngeren Chef Stéphane (Tom Leeb) an. Der sei ein Porsche 911, findet Jeanne.
Gebrauchter Audi A4 trifft auf Porsche-Mann
Als Gatte Alain, der eine von Dianes SMS abgefangen hat, die Affäre als gegeben sieht, packt er theatralisch seinen Koffer und lässt sich im Hotel nieder. Diane nutzt die Gelegenheit und beginnt tatsächlich ein Techtelmechtel mit Stéphane. Anschließend zieht sie aus der geräumigen Familienwohnung aus und genießt ihre neue Freiheit. Doch Spontansex im Treppenhaus mit Stéphane vor einer Party scheitert dann an ihrem alternden Körper. Sie hat sich etwas verknackst und humpelt fortan – irgendwann auch von der Party fort. Klarer Fall, meint Jeanne (Clotilde Courau): Diane sei ja nur ein gebrauchter Audi A4, da gestalte sich der Sex mit dem Porsche-Mann schwierig.
Prompt macht sich Jeanne an Alain ran, der allerdings nichts von ihr wissen will. Schließlich bandelt er mit einer jungen Frau an, die er in einen Auffahrunfall verwickelt hat, während Diane den schönen Stéphane sausen lässt und – nicht nur zu Recherchezwecken für ein Buch – es auch mit anderen Männern versucht. Dabei stellt sie fest, dass es als Frau über 50 doch nicht so einfach ist, einen neuen Partner zu finden. Außerdem ändern die amourösen Verwicklungen der baldigen Ex-Eheleute nichts an der Grundhaltung von Alain, der Diane immer noch nachtrauert.
Romantischer Mann, Frau mit Affären
Philippe Lefebvres Beziehungskomödie „Adieu Chérie“ entpuppt sich als Studie von Ü-50-Großstädtern und als Sittengemälde über das Balzverhalten von Menschen, die sich nicht alt fühlen, aber von der Gesellschaft bereits als Senioren angesehen werden. Interessant an der Konstellation des Films ist nicht zuletzt, dass der Mann in der Beziehung der Romantischere ist. Für ihn ist Diane auch nach 30 Jahren noch seine Traumfrau, und er reagiert gekränkt auf ihre demonstrative Indifferenz ihm gegenüber. Diane dagegen hat den Eindruck, dass sie durch ihre langjährige Ehe etwas vom Leben verpasst hat, und wird von den Journalisten-Kollegen als Frau mit Affären als viel interessanter empfunden: Sie bekommt dadurch auch die besseren Storys.
So handelt die Komödie auch von der Konkurrenz zwischen Jüngeren und Älteren. Trotz Jugendwahns und der Idealisierung eines freien und ungezügelten Liebeslebens durch andere stellen die getrennten Eheleute irgendwann fest, dass es zwischen ihnen und den neuen jüngeren Partnern doch einige kulturelle Unterschiede gibt. Dass Diane und Alain immer noch etliches miteinander verbindet, merken sie auch, als sie ihrer Tochter beistehen müssen. Deren neugeborenes Kind war ein Frühchen, und so kümmern sich beide Großelternteile um Tochter und Enkelkind.
Nicht immer vernünftige Ratschläge
Stilistisch kommt „Adieu Chérie“ trotz seiner glaubwürdigen Analyse von Langzeitbeziehungen locker und manchmal auch recht klamottig herüber. Sowohl Alain als auch Diane werden von den obligatorischen Bester Freund-/Beste Freundin-Sidekicks sekundiert, die sie mit – nicht immer vernünftigen – Ratschlägen bestärken. Alain wird zudem Viagra in den Drink gemischt – mit erektilen Folgen – und Diane muss sich von Alain befreien lassen, nachdem ein erboster Liebhaber sie an einer Handschelle gefesselt in ihrer Wohnung zurückgelassen hat. Solcherlei Szenen sind nicht immer originell. Doch da der Film Tempo und Witz versprüht und alle Beteiligten mit Engagement und Charme bei der Sache sind, kann man sie als handelsübliche komödiantische Überzeichnung abtun.
Zudem entpuppen sich Franck Dubosc und vor allem Karin Viard erneut als überzeugende Komödianten, die ihren Figuren auch emotionale Facetten abgewinnen können. Im Grunde geht es in Lefebvres Film um Familie, Zugehörigkeit und darum, dass man im Leben nicht alles planen kann und nicht alles immer so klappt, wie man es sich erträumt hat. Und dass ein Liebesleben auch mit Ü50 möglich ist, selbst wenn nicht alles so glattläuft wie in der Jugend, zeigt „Adieu Chérie“ mit französischer Beschwingtheit, Reflexion und Humor.