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Filmkritik
1941 arbeitete der polnische Mathematiker Stanislaw Marcin Ulam als Mathematikdozent an der Harvard Universität in Cambridge, Massachusetts. Dort studierte auch sein jüngerer Bruder Adam. Der 32-jährige Stanislaw (Philippe Tlokinski) versucht seine Schwester Stefka telefonisch zu überreden, mit den Eltern das von deutschen Truppen besetzte Polen zu verlassen. Als der ungarische Forscher John von Neumann (Fabian Kociecki) ihm anbietet, an einem geheimen Projekt in New Mexico mitzuarbeiten, stimmt er zu. Da er seinen Bruder nicht mitnehmen darf, schickt er diesen zu einem Onkel nach New York. Dafür begleitet ihn die französische Literaturstudentin Françoise (Esther Garrel) nach Los Alamos, die er gerade kennengelernt hat und kurz entschlossen heiratet.
Mitarbeit am Manhattan-Projekt
Die Forschungen werden später als Manhattan-Projekt bekannt. Unter der Leitung des US-Physikers J. Robert Oppenheimer arbeiteten hochtalentierte, größtenteils aus Mitteleuropa stammende Wissenschaftler unter Hochdruck an die Entwicklung von Atomwaffen, um dem Nazi-Regime zuvorzukommen. Ulam war zugleich an der Entwicklung des ersten Computers beteiligt.
Bei seinen Forschungsarbeiten gerät er immer wieder mit dem ehrgeizigen Gruppenleiter Edward Teller (Joel Basman) aneinander, der unbedingt eine Wasserstoffbombe bauen will. Während Françoise mit Blick auf ihre gemeinsame Tochter schon früh die Frage nach der Verantwortung für die nachfolgenden Generationen aufwirft, stellen Ulam und andere spätestens nach Hiroshima und Nagasaki im Sommer 1945 ihre Rolle als Wissenschaftler in Frage.
„Abenteuer eines Mathematikers“ von Thorsten Klein ist eine konventionell erzählte Filmbiografie, die mit einer sorgfältigen Ausstattung der historischen Szenerien aufwartet. Sie beruht auf den gleichnamigen Memoiren von Stanislaw Marcin Ulam (1909-1984) und schildert aus dessen Sicht die Entstehungsgeschichte der Nuklearwaffen, insbesondere der Wasserstoffbombe.
Komplexe Problemfelder werden angeschnitten
Bei der Adaption hat Klein den Stoff an manchen Stellen erheblich gerafft. So heirateten Ulam und Françoise zwar im Jahr 1941, zogen aber erst 1943 nach New Mexico, wo das Manhattan-Projekt gerade anlief. Darüber hinaus schneidet der Film mehrere komplexe Problemfelder an: Migration, Judenverfolgung, Antisemitismus, die Schrecken des Atomkriegs und die Verantwortung der Wissenschaft, um nur einige zu nennen.
Der Hauptstrang beleuchtet die Stationen der Atomwaffenentwicklung. Dabei interessiert sich die Inszenierung aber mehr für die philosophischen Fragen und moralischen Implikationen als für die technischen Hürden. Als zentraler Konflikt erweist sich das Verhältnis zwischen Ulam und Teller. Während Ulam die Ansicht vertritt, dass eine Uran- oder Plutoniumbombe reiche, um den Sieg über Adolf Hitler sicherzustellen, drängt Teller auf den Bau der noch stärkeren Wasserstoffbombe, um den Abschreckungseffekt zu stärken. Die ethischen Diskussionen brechen im Film allerdings öfters gerade dann ab, wenn es spannend wird; etwa mehr Tiefgang wäre durchaus angebracht gewesen.
Auch privat sieht sich der Mathematiker mit bohrenden Fragen konfrontiert, wenn seine Frau insistiert, ihrer Tochter eine lebenswerte Erde zu hinterlassen. Einige der europäischen Forscher sind entsetzt und geraten in innere Nöte, als die beiden Bomben in Japan Hunderttausende Zivilisten töten. Im Film fungiert der Forscher John Williams Culkin als Leitfigur für diese Fraktion; er kann eine weitere Mitarbeit nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und verlässt unter Protest das Projekt.
Der Holocaust-Strang bleibt oberflächlich
Der Holocaust-Strang um die Verwandtschaft der Ulam-Brüder gerät zu kurz und zu oberflächlich. Nur nebenbei erfährt man, dass ihre Angehörigen auf der Flucht zu Tode kamen. Auch die Beziehung der Brüder bleibt skizzenhaft; nach der Exposition verschwindet der labile jüngere Bruder für lange Zeit aus dem Film, um in einem Kurzauftritt gegen Ende Stanislaw schwere Vorhaltungen zu machen.
Das internationale Ensemble agiert durchweg solide. Das gilt für die polnischen Theaterdarsteller Philippe Tlokinski und Fabian Kociecki ebenso wie für die Französin Esther Garrel. Der Schweizer Schauspieler Joel Basman legt Edward Teller mit großer Verve als militärischen Falken an; Sabin Tambrea verkörpert den deutschen Atomspion Klaus Fuchs.
Angesichts der aktuellen Entwicklungen eines neuerlichen atomaren Wettrüstens und der Drohungen des russischen Präsidenten mit dem eigenen Atomwaffenarsenal gewinnt der 2018 gedrehte Film eine unerwartete Aktualität, da er nachzeichnet, wie eine innovative Wissenschaft ihre Unschuld verlor, als sie der Menschheit die Mittel in die Hand gab, sich selbst auszulöschen.