- RegieNikias Chryssos
- ProduktionsländerDeutschland
- Dauer90 Minuten
- GenreDrama
- Cast
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Filmkritik
Irina (Greta Bohacek) und ihr jüngerer Bruder Paul (Claude Heinrich) tragen Lumpen und sind von oben bis unten mit Dreck beschmiert. Auf einer trügerisch idyllischen Insel leben sie in einem dunklen Keller und stellen dort Seife her, die sie selbst nicht benutzen dürfen. Vor dem Schlafengehen erzählt das Mädchen den anderen Kindern eine hoffnungsvolle Schöpfungsgeschichte. Die Göttin Hygeia befreit darin die Welt von allem Schmutz und führt die Auserwählten ins Elysium, auch bekannt als die Insel der Seligen.
Oberhalb des trostlosen Kellers scheint sich die Prophezeiung bereits bewahrheitet zu haben. Hier leben fein zurechtgemachte Menschen in weißen Kleidern, die für die Arbeiter nur Verachtung übrighaben und dem bärtigen Seifenfabrikanten und Sektenführer Fust (Sam Louwyck) zu Füßen liegen. Mit tiefer, sonorer Stimme und flämischen Akzent bringt der seinen Jüngern mit einem Merksatz die streng in sauber und schmutzig unterteilte Hierarchie bei: „Wer außen ist rein, der wird’s auch innen sein.“
Ein diktatorischer Scharlatan
Nikias Chryssos, der sich bereits in seinem Langfilmdebüt „Der Bunker“ einer klaustrophobisch-totalitären Gegenwelt widmete, entwirft in „A Pure Place“ erneut eine ins Groteske verzerrte Schreckensvision. Mit Versatzstücken aus germanischer und griechischer Mythologie sowie Parallelen zu realen Sekten wie dem durch das Jonestown-Massaker bekannt gewordenen „Peoples Temple“ spinnt er eine Parabel, in der die Absurdität der Klassenhierarchie wie auch die Lächerlichkeit des selbst ernannten Führers von Anfang an klar ist. Bei seinem ersten Auftritt dirigiert Fust seine Gefolgschaft erst mit sanften Handbewegungen und zieht sie anschließend mit billigen Zaubertricks in seinen Bann. Bevor das Oberhaupt des Kults faszinieren oder beunruhigen kann, hat der Film es schon als diktatorischen Scharlatan bloßgestellt.
Ein Schwellenübertritt bringt die Handlung ins Rollen. Irina darf eines Tages endlich zu den Reinen aufsteigen, während ihr Bruder zurückbleibt und revolutionäre Gedanken schmiedet. Der soziale Aufstieg wird mit einer rauschhaft-erotischen Waschzeremonie zelebriert, die zugleich anziehend und bedrohlich wirkt. Kameramann Yoshi Heimrath gelingen immer wieder stylish-mysteriöse Settings, die ins Geschehen ziehen.
„Der Schmutz ist in uns allen“
Ansonsten tut „A Pure Place“ jedoch viel dafür, um die Zuschauer auf sichere Distanz zu halten. Noch bevor man wirklich in den repressiven Mikrokosmos eintauchen könnte, hat der Film ihn schon als Schmierentheater entlarvt. Nach Fusts Audienz betont Chryssos noch ein weiteres Mal, dass man hier lediglich einer schlechten Inszenierung beiwohnt. Ein arischer Jüngling, der nach dem Sagenheld Siegfried benannt ist, soll sein Idol Fust in einem Propagandastück als ultimativen Erlöser darstellen. Im antiken, blass-rosanen Gewand muss Siegfried (Daniel Sträßer) aber feststellen, dass sein Glaube auf einer Lüge basiert. „Der Schmutz ist in uns allen“, wird er dem schockierten Publikum aus der Oberschicht in einem tragischen Moment der Selbsterkenntnis entgegenrufen.
Die Zuschauer werden mit dieser Offenbarung jedoch schon von der ersten Szene an konfrontiert. Obwohl „A Pure Place“ mit seinen jungen Protagonisten und teils videoclipartig stilisierten Bildern einen kindlich-staunenden Blick vorgibt, weiß man tatsächlich alles schon vorher. In diesem Kosmos ist kaum Spannung oder Entwicklung möglich, weil das Geschehen längst ins Absurde gekippt ist, jede Szene zur überdeutlichen Metapher geformt wurde und die Figuren zur Karikatur erstarrt sind.
Auf krasse Gegensätze reduziert
Die Geschichte bleibt archaisch, manchmal fast abstrakt und auf krasse Gegensätze reduziert. Auf keines seiner Motive lässt sich „A Pure Place“ wirklich ein; dafür will der Film aber viel Zeitgeistig-Politisches mitnehmen. Es geht um gesellschaftliche Ungleichheit und einen drohenden Umsturz, um falsche Führer und Faschismus, Religion und Globalisierung – und als Pointe auch irgendwie um ein feministisches Aufbegehren. Doch all das bleibt leer und oberflächlich, Teil einer schicken Dystopie, die niemand wirklich angeht oder herausfordert.