Cast
Vorstellungen
Leider gibt es keine Kinos.
Filmkritik
Vor der Wohnung von Hercule Poirot (Kenneth Branagh) warten viele Menschen in der Hoffnung, dass der scharfsinnige belgische Meisterdetektiv ihre mysteriösen Fälle aufklärt. Der aber will sich in seiner neuen Wahlheimat Venedig lieber zur Ruhe setzen. Da der nur rudimentär auf dem Agatha-Christie-Roman „Halloween Party“ beruhende Film jedoch anderes im Schilde führt, findet Poirot schnell wieder einen Anlass zum Ermitteln. Als er seine Freundin Ariadne Oliver (Tina Fey) zu einer Séance in einen alten Palazzo begleitet, muss er miterleben, wie das Medium Mrs. Reynolds (Michelle Yeoh) wenig später aufgespießt auf einer Statue landet.
„A Haunting in Venice“, die nach „Mord im Orient-Express“ und „Tod auf dem Nil“ dritte Christie-Adaption mit Branagh als Regisseur und Hauptdarsteller, greift auf ein klassisches Krimi-Setting zurück und versucht der Filmreihe frischen Wind einzuhauchen. Poirots Suche nach dem Mörder lädt der Film mit einer unheilvollen Gothic-Horror-Atmosphäre auf. Wirkt das Venedig des Jahres 1947 in den ersten Szenen noch so, als wäre es mit seinen gedeckten Farben durch ein paar Filter zu viel gejagt worden, versinkt der Film für die restliche Zeit bald in stimmungsvoller Dunkelheit.
Sinnlich oder übersinnlich
Außergewöhnlich ist die Geschichte, weil Poirot sich in zweierlei Hinsicht an einem Scheideweg befindet. Er will nicht nur seine Karriere beenden, sondern es gerät auch sein konsequent rationales Weltbild durch die ungeklärte Geschichte über die ertrunkene Tochter der Gastgeberin (Kelly Reilly) sowie mehrere geisterhafte Erscheinungen ins Wanken. Die Suche nach dem Täter und seinem Motiv ergänzt das Drehbuch von Michael Green durch einen nagenden Zweifel, ob es das Übersinnliche vielleicht doch gibt.
Besonders zu Beginn gelingen einige gruselige Momente. Die Bootsfahrt zum Palazzo durch dunkle, nebelverhangene Kanäle oder eine bizarre Schattentheatervorführung für Kinder dienen gekonnt als düstere Vorahnung für das Kommende. Später nutzt die Inszenierung die Spuk-Elemente jedoch vor allem, um zu verschleiern, dass es sich bei der Story um ein Kammerspiel handelt. Die Einstellungen sind oft gekippt oder aus verzerrenden Perspektiven aufgenommen; die mit schnellen Schnitten und lärmenden Sound-Effekten inflationär eingesetzten „Jump Scares“, schockierende Geräuscheffekte, verfehlen konsequent ihre Wirkung.
Statt sorgfältig Spannung zu entwickeln, zieht es Branagh mehr zum Spektakel. Das betrifft nicht nur die mitunter unnötig effekthascherische Inszenierung, sondern auch die inbrünstig agierenden Schauspieler, denen die Kamera manchmal regelrecht im Gesicht klebt. Oft wirken die Verhörszenen verschenkt, weil sie mehr an den monologisierenden Figuren als daran interessiert sind, eine besondere Stimmung zwischen ihnen herzustellen. Paradox an „A Haunting in Venice“ ist, dass er vordergründig ständig versucht, imposant und dynamisch zu erscheinen, während er in Wahrheit doch ein wenig hüftsteif daherkommt.
Endlich zum Leben erwacht
Exemplarisch für Branaghs Ansatz ist, wie er den von ihm gespielten Protagonisten anlegt. Über die Jahrzehnte wurde Poirot von den unterschiedlichsten Schauspielern verkörpert, am bekanntesten wohl von Peter Ustinov. Dessen Interpretation des Meisterdetektivs war stark zugespitzt, von Spielfreude geprägt und balancierte gekonnt zwischen Drama und Komik. Auch der neue Poirot ist kauzig, pedantisch und stur, doch Branagh spielt ihn ernst, streng und gänzlich uncharismatisch.
Spaß an seinem Rätsel hat der Film, wenn er nicht zwanghaft etwas anderes sein will, sondern auf die Stärken von Agatha Christie vertraut. Je mehr sich „A Haunting in Venice“ auf die Auflösung zubewegt, desto dichter wird er. Mit einer seiner berühmten Schlussenthüllungen führt Poirot innerhalb weniger Minuten von kompletter Ahnungslosigkeit zu einem von jeglichem Zweifel befreiten Urteil. Mit wedelnden Armen greift Branagh dabei beiläufige Bemerkungen und unauffällige Gesten auf, über die er mit analytischem Geschick ungeahnte Verbindungen herstellt. Die Figur und ihr Darsteller wirken dabei so, als wären sie endlich zum Leben erwacht.