Filmplakat von Fünf letzte Tage

Fünf letzte Tage

112 min | Drama
Im Gegensatz zu „Sophie Scholl – Die letzten Tage“ schildert der Regisseur Percy Adlon die letzten fünf Tage der Widerstandskämpferin Sophie Scholl nicht aus Scholls Sicht, sondern aus der Sicht ihrer Mitgefangenen Else Gebel. Scholl und die christliche Sozialistin Gebel kamen sich durch ihren gemeinsamen Zellenaufenthalt näher.

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Filmkritik

Während Michael Verhoeven in "Die Weiße Rose" dokumentarischen Ernst mit den Konventionen des populären Erzählkinos verbinden will, sucht Percy Adlon in seinem Film über Sophie Scholl einen weit radikaleren formalen Zugriff. Er kompiliert schriftliche Augenzeugenberichte und Interviews, teilweise auch aus zweiter Hand, zu einer Chronik der letzten fünf Tage im Leben der Sophie Scholl und montiert sie zu einem Spielkonzept, das ebenso streng sachlich wie bewußt künstlich ist. Das ist weniger ein Kammerspiel im üblichen Sinne, obwohl räumliche Enge und strenge Zeitstruktur vorherrschen, sondern weit mehr ein Szenenreigen, der mit schroffen desillusionierenden Schnitten und extrem kühler Schauspielerführung Distanz schaffen will zu der eigentlichen Intimität der Vorgänge. Konsequent werden die Möglichkeiten einer naiven Identifikation unterlaufen. - So eindrucksvoll folgerichtig und geschlossen dieses Konzept auf den ersten Blick auf wirken mag, so registriert man aber auch mit einiger Beklemmung die manchmal überzogene Statik und bleierne Schwere der Inszenierung: die Schauspieler agieren recht gut aber wie hinter dicke Glaswände gesperrt. Und anders als in "Celeste", wo der eigensinnige Formwille sich gleichsam selbst überwindet und unversehens zu einer ganz starken Poesie findet, bleibt es in "Fünf letzte Tage" oft nur bei der angestrengten Absicht zur Stilisierung.

Die Handlung ist minimal: Sophie Scholl erfährt nach ihrer Verhaftung die heimliche aber herzliche Zuwendung einiger Mitgefangener, besonders aber ihrer Zellengenossin Else Gebel. Nicht eigentlich Sophie Scholl selbst ist also der Gegenstand des Films, sondern vor allem das Verhalten ihrer Mitmenschen - von der Zellengenossin bis hin zum Sachbearbeiter, der, wie er sagt, nur "seine Pflicht tut". Adlons Interesse gilt mithin den kleinen aber ausschlaggebenden Gesten der Mitmenschlichkeit, den rührenden, manchmal fast einfältigen Liebesbeweisen. Das macht den Film, trotz eisiger Distanz und auch gelegentlicher formaler Unebenheiten, bewegend und als Dokument über die Unveräußerlichkeit menschlicher Werte auch unter extrem inhumanen Bedingungen beachtenswert. Es wird auch klar: Der Film will gerade im Verzicht auf monströse Überzeichnung der Schuldigen und ihrer Helfershelfer und vor allem durch das gelebte humane Gegenbeispiel das System indirekt anklagen.

Diese Darstellungsweise hat aber auch ihre Kehrseite. Die Vorsicht gerät manchmal zur Betulichkeit und letztlich auch zur Verharmlosung der Schuldfrage - so als ob Unrechtssysteme ein unausweichlicher existentieller Fluch wären. Sie werden vielmehr bekanntlich von Menschen gemacht, nicht zuletzt von denen, die immer nur "ihre Pflicht tun" - und es kann in keinem noch so verhaltenen Erzählkonzept darum gehen, die Handlanger des Regimes von ihrer Verantwortung loszusprechen. Eben dieser Gefahr setzt Adlon sich aber aus, besonders als der Ermittlungsbeamte, der sich jämmerlich mit Schokolade und Keksen von aller menschlichen Schuld reinzuwaschen sucht, am Schluß auch noch als freundlichsachlicher Kommentator auftreten darf. Es ist richtig, daß die Unmenschlichkeit sich oft hinter einer biederen und adretten Maske verbirgt. Aber die ganze Abgründigkeit dieses Motivs vermag der Film nicht annähernd auszuloten. Er bleibt in seiner kritischen Absicht eher halbherzig und irgendwie erschreckend beschwichtigend. So ist er trotz seiner imponierenden formalen Kargheit, seiner humanen und oft sogar von christlicher Gedanklichkeit geleiteten Argumentation doch streckenweise ideologisch angreifbar.

Erschienen auf filmdienst.deFünf letzte TageVon: Hubert Haslberger (15.3.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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