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Filmplakat von 22 Bullets

22 Bullets

115 min | Action, Thriller
  • RegieRichard Berry
  • ProduktionsländerFrankreich
  • Dauer115 Minuten
  • GenreActionThriller

Vorstellungen

Leider gibt es keine Kinos.

Filmkritik

Es hat einmal funktioniert, warum sollte es das nicht ein zweites Mal tun? Vor 15 Jahren setzte Luc Besson einen Auftragskiller mit familiärem Beschützerinstinkt und harter Schale um weichen Kern unter gewalttätigen Druck. Es war eine passive Verteidigungssituation, in der sich Jean Reno als melancholischer, irgendwie Kind gebliebener „Leon – Der Profi“ (fd 31 164) gegen einen korrupten Cop und seine Drogen-Söldner zur Wehr setzen musste. Nun ist Reno in „22 Bulletts“ der Unsterbliche des Originaltitels und ein Mafiaboss im Ruhestand, der in Marseille einen ziemlich aktiven Rachefeldzug unternimmt. 22 Kugeln wurden ihm zuvor unvermittelt bei einem feigen Anschlag in den Leib gejagt, die maskierten Verursacher sind wohl im Kreis seiner ehemaligen Verbündeten und Freunde zu suchen. Die ruhige Kugel, die der ausgestiegene Charly Mattheï eigentlich schieben wollte, kommt immer schneller ins Rollen – bis er nicht mehr umhin kommt, seinen als Warnung gefolterten und getöteten Freund zu rächen. Und das macht der Rechtshänder mit der gelähmten Schusshand auch mit links. „22 Bullets“ versteht sich in der Tradition von „Der Pate“ (fd 17 966), ist aber eher kurzweiliges Unterhaltungskino, das sich an seinen archaischen Motiven Verrat, Rache, Familien- und Freundesbanden entlang hangelt und sich nicht aus dem zugegebenermaßen optisch perfektionierten Rahmen seines Genres hinauswagt. Handwerklich ist das „State of the Art“, ethisch wohl eher archaisch. Da sinkt Charly von blutig in Slow Motion aufspritzenden Schusslöchern zu Boden, feinstaubig rieselt das Koks durch den Raum; rasante Verfolgungsjagden mit hohem Karambolage-Effekt lösen smarte Wortgefechte mit einer Ermittlerin ab, die dieselbe Sympathie für den Rächer hegt, wie es auch das Publikum tun soll. Er ist der widerwillig reaktivierte Gentleman-Kriminelle, wie er im Buche der filmischen Sympathieträger steht, getrieben von böseren Jungs, als er selbst je einer war, und von der Liebe zu seiner Familie, die durch seine Vergangenheit auf Messers Schneide befördert wird. Ziemlich vorhersehbar entwickelt sich so eine Geschichte, die allerdings derart kraftvoll inszeniert ist, dass man die moralischen Implikationen kaum noch hinterfragt. Charles Bronson oder Clint Eastwood töteten früher gnadenlos und unerbittlich in einem Rache-Parcours mit coolen Sprüchen und ohne Gnade; „22 Bullets“ wirkt im Vergleich wie ein humoristisch und stilistisch perfektionierter Ableger mit französischen Wurzeln. „Keine Frauen, keine Kinder, keine Drogen“, dieser Ausspruch hätte aus Bronsons und Eastwoods Mund kommen können, stammt aber in direkter Film-Analogie aus dem des Profi-Killers Leon. Genau diese Ausnahmen beim Töten und beim Dealen sind am Ende die Paradoxien, mit denen Charly seine eigene Doppelmoral vor Augen gehalten wird. Früher verweigerte er sich dem Drogengeschäft, als ob die anderen krummen Dinger in Clubs und Puffs selbiges nicht nach sich ziehen würden. Diese Verweigerung wird zum Mordauslöser, und dass er zunächst niemanden, dann zumindest keine Frauen und Kinder töten will, nimmt ihm ein Druckmittel, von dem seine Feinde perfide Gebrauch machen. Im blutigen Finale muss sich Charly dann durch einen Stacheldrahtwall, gegen die spitzen Widerstände in Richtung seines entführten und gegen den Tod anschreienden kleinen Sohns wälzen. So spannend solche Szenen sind, so klar ist dann auch wieder die Stilisierung eines Verbrechers, dessen Vergangenheit und gegenwärtige Taten durch die moralische Fragwürdigkeit seiner Gegner nivelliert werden. Richard Berrys Action-Thriller lehnt sich locker an die Lebensgeschichte des realen Mafiabosses Jacques Imbert an, gibt sich mit seiner Rasanz und Spannung aber eindeutig nicht als realitätsnahes Biopic. Das Ziel ist die Katharsis und Unterhaltung um jeden Preis, die der Film schon zuvor mit den amüsant hypochondrischen Auftritten von Kad Merad („Willkommen bei den Sch’tis“, fd 38 956) unternimmt. Als stotternder Mafiaboss lässt er das Blut spritzen, versucht aber, seine eigene Familie selbst vor den kleinsten Nikotin-Partikeln zu schützen. Erzfeind Charly hingegen ist der Stellvertreter für unser archaisches Verlangen nach Gerechtigkeit, der, eigentlich geläutert, durch eine unmenschliche Zwangssituation erneut nach dem Prinzip Aug’ um Aug’ Gewalt und Schrecken verbreiten darf. Ob man das dann so unreflektiert goutieren sollte, wie man es knallhart serviert bekommt, das steht auf einem anderen Blatt.

Erschienen auf filmdienst.de22 BulletsVon: Kathrin Häger (28.9.2024)
Vorsicht Spoiler-Alarm!Diese Filmkritik könnte Hinweise auf wichtige Handlungselemente enthalten.
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