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Filmkritik
Man muss die Vorgeschichte nicht kennen, um in „15 Jahre“ von der ersten Minute an einzusteigen. Die Fortsetzung von „Vier Minuten“ (2006) lebt zunächst erneut von der Widerspenstigkeit der an einer Borderline-Störung leidenden Hauptfigur und verrät die Gründe für ihr aggressives Benehmen erst peu à peu in dialogischen Anspielungen, Rückblenden und Situationen, in denen sie außer Stande ist, ihre schwankenden Emotionen zu kontrollieren. Hannah Herzsprung ist als Jenny von Loeben erneut ein brodelnder Vulkan; sie trägt ihre Weltverachtung im Gesicht und sagt stets, was sie denkt, auch wenn sie mit ihren gnadenlosen Wahrheiten andere verletzt. Immerhin möchte sie nach 15 Jahren Haft wieder Anschluss finden, was ihre chronischen Wutausbrüche zumindest ansatzweise zügelt.
Menschen aus der Vergangenheit
Dass sie dies als Mitglied einer christlichen Resozialisierungstruppe tut, passt eigentlich nicht zu ihrem Charakter, liefert aber einen dramaturgischen Anlass für unzählige Kollisionen, denn zum Glauben hat die 42-Jährige keineswegs gefunden, und sich in einer Hierarchie unterordnen kann sie ohnehin nicht. Als Arbeiterin in einer Reinigungsfirma macht die einst genialische Pianistin, die für einen Mord im Gefängnis saß, den sie nicht begangen hat, ausgerechnet in einem Konservatorium Station. Auf diese Weise trifft sie auf einen früheren Bekannten (Christian Friedel), der gerade Klavierunterricht gibt.
Doch bevor sie mit ihm ins Gespräch kommt, beleidigt sie dessen Schülerin schon als mittelmäßig. Dann reagiert sie empört auf den Vorschlag, mit seinem Schützling Omar (Hassan Akkouch), dem der IS in Syrien eine Hand abgeschlagen hat, weil er in der Öffentlichkeit Musik spielte, in einer kommerziellen Talentshow für Behinderte aufzutreten. Erst als sie realisiert, wer die Sendung moderiert, springt ihr Interesse an. Es ist der zum Pop-Star aufgestiegene Mann (Albrecht Schuch), wegen dem sie Jahre ihres Lebens verloren hat und der einst ihr Liebhaber war.
Vergebung kommt nicht in Frage
Eigentlich wollte Jenny lernen, sich von ihrer Vergangenheit zu lösen. Doch das Wiedersehen mit dem erfolgreichen Opportunisten, der mal ein wilder Punk war und mit Jenny in einer rebellischen Band spielte, lässt ihre Wut wieder aufflammen. Sie ist fassungslos angesichts seiner Anbiederung ans Publikum und seiner Bereitschaft, in einem dümmlichen Fernsehkonzept zu funktionieren; am meisten aber trifft es sie, dass er gerade Vater wurde, während sie auf das gemeinsame Kind einst verzichten musste.
Da Vergebung für Jenny nicht in Frage kommt, startet sie einen Rachefeldzug. Das ohnehin schon schematische Drehbuch schlägt dabei einen Weg ein, der die melodramatische Handlung zunehmend unglaubwürdige Volten schlagen lässt. Zunächst lässt Jenny sich auf eine Liaison mit dem naiv-lebenslustigen Syrer ein, dessen Kompositionen sie von Auftritt zu Auftritt virtuoser interpretiert. Doch als er ihr eine gemeinsame Zukunft anbietet, wählt Jenny lieber den Hass, der sie schließlich zur Mörderin an einem Todkranken werden lässt. Denn der nach außen vermeintlich mitfühlende Talentsucher leidet an Leukämie, trägt eine Perücke und hat nicht mehr viel Lebenszeit vor sich. Die Aussprache auf seinem luxuriösen Anwesen ist für die Schauspieler zwar ein Geschenk, das Albrecht Schuch als selbstbezüglich-bösartiges Wrack bravourös zu nutzen versteht, aber da hat man den unsäglich konstruierten Plot längst verloren gegeben.
Eine furiose Protagonistin
Trotzdem erfreut man sich ein wenig an den leidgeprüften Physiognomien in Großaufnahmen, dem ätzenden Sarkasmus der verlorenen Figuren und der durchaus gelungenen Satire auf irrsinnige Trash-Spektakel. Am Ende aber dominiert die Ratlosigkeit über die exzellent besetzte Mixtur aus kitschigem Rachedrama, zu Tränen rührendem Migrationsschicksal, stimmigem Musical und extremen Frauenporträt, zusammengehalten von einer am Abgrund furios balancierenden Hannah Herzsprung, wegen der man sich auch eine weitere Fortsetzung wohl nicht entgehen lassen würde.